Im Rahmen seiner Forschungsarbeit beschäftigen Fragen wie: "Können verschiedene Arten von Gehirnen die gleiche Kognition hervorbringen?" oder "Warum sind Gehirne asymmetrisch organisiert?" Prof. Güntürkün. In seinen Studien geht er dabei von zwei Annahmen aus.
Erstens: Gehirne haben sich entwickelt, um Verhalten zu erzeugen. Daher muss die Neurowissenschaft das Verhalten als Erklärungsansatz verwenden. Ein großer Teil von Prof. Güntürküns Experimenten beinhaltet darum eine Verhaltenskomponente.
Zweitens geht Prof. Güntürkün davon aus, dass viele neurowissenschaftliche Schlussfolgerungen durch einen "kortikalen Fehlschluss" behindert werden, nämlich der Annahme, dass komplexes Verhalten nur durch kortikale Schaltkreise erzeugt werden kann. Dabei wird übersehen, dass viele Lebewesen ähnliche Funktionen aufweisen, ohne dass diese Tiere einen Kortex haben.
Wenn also Arten mit unterschiedlichen Gehirnen ähnliche Verhaltensweisen hervorbringen, sollte ein Ansatz, der sorgfältig ausgewählte, unterschiedliche Spezies verwendet, in der Lage sein, die gemeinsamen neuronalen Elemente aufzudecken, die möglicherweise die conditio sine qua non einer bestimmten Funktion darstellen. Aus diesem Grund arbeit Prof. Güntürkün (in absteigender Reihenfolge) mit Tauben, Menschen, Delfinen, Krokodilen und Rabenvögeln als Versuchspersonen.
Dabei verwendet er Ansätze, die von der Feldarbeit über Verhaltensexperimente, Einzelzellaufzeichnungen, EEG, Tract-Tracing und Optogenetik bis hin zum Brain Imaging bei ultrahohen Magnetfeldern reichen. Für letzteres entwickelte Güntürküns Labor die Technologie, um wache und aktiv differenzierende Tauben in einem 7T-Scanner-System zu untersuchen. Auf diese Weise kann die verteilten Aktivitätsmuster während verschiedener kognitiver Funktionen mit hoher Auflösung untersucht werden.
Anschließend können diese Tiere dann außerhalb des Scanners mit Verhaltensstudien getestet werden, die mit Einzelzellaufzeichnungen oder optogenetischen Manipulationen in denjenigen Hirnregionen einhergehen, die während kritischer Phasen der Aufgabe aktiv waren. Auf diese Weise können die Forscher*innen über korrelative Befunde hinausgehen und zu kausalen Schlussfolgerungen gelangen.